Presseschau #4

In der Galerie gehen die Meinungen auseinander, welche Mediennutzung und PR-Arbeit sinnvoll ist. Ich möchte hiermit dafür plädieren, die Öffentlichkeit sein zu lassen, wie sie ist, und auf uns selbst zu achten.  

Die Presseschauen bisher waren kurz und zynisch gehalten. Auch daran will ich nichts ändern. Wohlgesinntere Lesarten der Lokalpresse würden auch keine Anhaltspunkte dafür liefern, dass die amtliche Kreiszeitung einer Sache auf den Grund gehen oder unsere Sache befördern könnte.  

Nur beispielhaft kann ich einen Erklärungsversuch anbieten, welches Bewusstsein man braucht, um besten Gewissens – also im Glauben an seine journalistische Objektivität – Ideologie zu verbreiten. Ein Beispiel aus der WZ vom 3. Mai 2025, S.5: 

Dazu: 

1. „Selbstverständlich“ gibt es Medien seit der erste Wortlaut gebildet wurde, auch „öffentlich“ war dieser Wortlaut schon. „Medien und öffentliche Meinung“ sind kein leerer Begriff, wie man Lore Seidel unschuldigerweise unterstellen möchte, sondern sie stehen für die Medienlandschaft, wie sie ist: 

Im ganzen Landkreis lassen sich linke Zeitschriften (Titanic, konkret) nur an der Raststätte im Allertal käuflich erwerben. Die lokale Presse könnte einen Beitrag liefern, der über die Funktion der Anzeigenmagazine hinausgeht, und der die lokalen Ereignisse in einem Licht erscheinen lässt. Die politischen Kommentare der Lokalredaktion geben eine Idee, warum sie dies nicht tun. Compliance mit dem RND Mutterschiff ist ein Grund, und eine Art Bewusstsein des Untertanen: als Lokalredaktion verstehen sie sich den größeren Geographen untergeordnet, der Region, dem Land oder Bund – sie sind zuerst Deutsche, und erst danach Journalisten.

Die Produzenten stellen systematisch die Nachfrage erst her. Danach rechnen sie jedem Milchmädchen vor, dass die Nachfrage der Grund für die Produktion sei. Dabei ist allen bekannt, dass die Produktion Selbstzweck ist. Nachfrage wie etwa Hunger oder eine Untersuchung der Arbeitsverhältnisse auf Baustelle und Bauernhof stellen keinen Grund dar, auf dem etwas produziert wird.  

2. Diese Medien und öffentliche Meinung muss als industrielles Handwerk verstanden werden, namentlich als Kulturindustrie. Der Begriff leitet in die Irre und lässt an ein Fließband denken oder andere plakative Vorstellungen von der Industrie. Nach Jahrzehnten der Zentralisierung des Kapitals sind seine Produkte jedoch diversifizierter denn je. Ein defizitäres Programm im Kulturmagazin hat jedes Kapital im Portfolio. Profitable Presse gibt es in den großen Medienkonzernen.  

Lücken, aus denen Unkraut erwachsen könnte, werden geduldet. Sie sind immer die ersten Opfer von Sparmaßnahmen oder vom autoritären Durchgriff. Faszinierend an der Kulturindustrie ist aber gerade das Zusammenspiel von Vielfalt, Kreativität und Arbeit, die ohne zentrale Lenkung, pluralistisch, tolerant und im teilweise glühenden Streit untereinander eine Produktenpalette erzeugen, die gleichzeitig alles hinterfragen kann und soll, und dadurch ihre eigenen Voraussetzungen systematisch weiter reproduziert.  

Ganz persönlich bedeutet dies, dass die Arbeiter in der Kulturindustrie ihr Einkommen haben. Dabei wird solides Handwerk, fehlerhaftes Handwerk produziert, genauso wie auch Hochkultur oder bahnbrechende Innovationen, TrashTV und alles dazwischen und außerhalb.  

Die neuen Medien oder die staatlichen Subventionen sind hier noch gar nicht mitgedacht. Dass durch Diversifizierung und Förderung der Vielfalt eine ganz eindimensionale Form reproduziert wird; Konformismus der Gemeinnützigkeit, Willkür, Unterordnung und vorauseilender Gehorsam gegen den digital vernetzten Mob, ist eine Entwicklung, deren Ergebnis mir noch nicht klar ist. Die „öffentliche Meinung“ von WZ und OgR sind in der Partei des Mobs: 

3. Die WZ mag die Omas gegen Rechts. Sie ergänzen sich, jene demonstrieren für diese, und diese berichten wohlwollend über jene. Man könnte anmerken, dass allzu offensichtlich sozialdemokratische Veranstaltungen der OgR von der WZ als verdächtige verschwiegen werden. Wiederum freudsch offenbart die Berichterstattung der WZ die Haltung und Einschätzung der rechtsradikalen Gefahr: „zunehmende verbale Hetze“ 

  • Entweder sie vergaßen ein Komma oder sie beschweren sich darüber, dass die Hetze in letzter Zeit weniger gewalttätig wurde. 
  • Wenn die OgR oder die WZ durch die Diffamation wirklich bedroht wären, hätten sie mit der Verbalität der Hetze weniger Probleme – denn es ja gäbe eine nicht-verbale Bedrohung. Dass es Gewalt gibt, deren Gefahr v.a. nonverbal ist, das muss man nur politisch Gebildeten erklären: ihre ganze Politik besteht ja in der Reform oder Revolution von Sprache und Gesetzestexten.  
  • „Lügen- und Systempresse“ ist das Ticket beider Seiten. Es kommt auch immer noch vor, dass Linke für die BILD dieselben Worte wählen, aber die meisten haben sich auf die andere Seite geschlagen. Dass die Faschisten dadurch umso leichteres Spiel haben, sich als Partei der Wahrheit (und Freiheit) zu präsentieren, ist auch klar. Und ich sehe auch keine Verharmlosung der Faschisten darin, dass liberale Lügen entlarvt werden.      

4. Es ist klar, dass die amtliche Kreiszeitung allerhand Öffentlichkeitsarbeit von Landjugenden, Ortsverbänden, Dorfvereinen verbreitet. Das ist ihr Job. Diese Vereine sind graduell rechtsradikaler als ein Studierendenausschuss oder ein Verein zur Linderung der Arbeiterleiden. Doch auch diese teilen, vertreten und verteidigen prinzipiell dieselbe Ordnung, welche eben die Grundlage der Misere ist.

 

Wir – als autonome Galerie – müssen jederzeit darauf gefasst sein, wesentlich härter behandelt zu werden als die rechten Rebellen. Allerdings müssen wir uns auch eingestehen, dass wir von einem Vertreter der Eigentümerklasse gebeten wurden, etwas „gegen Rechts“ zu tun, dass unser Nutzen als gebildeter Gutmenschenhaufen für „das System“ von Teilen der herrschenden Klassen gesehen wird. Im Ernst wüsste ich auch nicht, welche Gefahr von uns ausgeht, die schwerer wiegt als kiloweise Flugblätter.  

 

Und damit zurück zum Anfang und zur Klage, dass es keine linke Presse gibt. Die gibt es nicht! Damit müssen wir uns abfinden.

Ich weiß ja auch nicht. Auf Dantes Weg durch’s Fegefeuer, schrieb er: „geh Deinen Weg und lass die Leute reden.“